Helmuth Schönauer:
Der Notstand des Generals Eyer.
Roman.
Erstausgabe.
Klagenfurt: Sisyphus 1999. 254
Seiten. ATS 298.-
ISBN 3-901960-03-1
Kurzbeschreibung
Der Leser wartet an einem Erzählperron,
der in sechs regelmäßige Sektoren aufgeteilt ist. Sein
offizieller Standpunkt liegt im Feld D, aber während des Wartens
wandert der Leser die gesamte Länge von zweihundertfünfzig
Seiten ab.
General Eyer will in Tirol eine Notverordnung einführen, von der
nur gewiß ist, daß sie täglich schärfer wird. Warum es zu
dieser Notverordnung kommt, wer sie iniziiert hat und wer davon
letztlich profitiert, ist nicht einmal dem General selbst
bekannt.
Er hat auch jedes Zeitgefühl verloren, so daß er fallweise in
alten ZEIT-Ausgaben einen x-beliebigen Absatz nachschlägt und
dabei meint, es gebe eine Zeit außerhalb der Echtzeit.
Alle Figuren können Verbündete sein, denn die Notverordnung
bedarf hervorragender Fachleute, wenn sie gegenüber der
Wirklichkeit halten soll. Mit der Mitarbeit am Projekt verlieren
die Personen freilich auch ihre Unschuld und können zu
Verrätern werden, weshalb man sich am besten sogenannter
Einweg-Posten bedient.
In der engsten Umgebung schwankt das Urteil über Eyer zwischen
Eigennotstand, Alkoholiker und klarem Fall von Plemmplemm.
Je mehr sich die Notverordnung in gewissen Punkten als real
herausstellt, desto imaginärer werden ihre noch zu planenden
Teile. Einerseits ist die Notverordnung ein neuer
Schöpfungsbericht, andererseits hat sie nichts anderes im Sinn,
als die Schöpfung zu verhindern.
Gerade weil er den aktiven Helden mimt, entpuppt sich General
Eyer schließlich als Spielball der Geschichte, denn mit der
Notverordnung läßt sich nicht spielen.
Im Sinne der Rhizomtheorie bewirken Kausalketten immer bloß
eines, daß sie den Faden verlieren. So stehen die unmöglichsten
Ereignisse miteinander in korrekter Beziehung, während logische
Konstrukte geräuschlos zusammenbrechen, wenn man sie benützt.
Nachdem wie in einer gigantischen Erzähldatei alle Segmente mit
dem Notstandsvirus befeuchtet sind, kann auch der Leser nicht
mehr zwischen dem real-genötigten und dem notwendig-realen
Zustand Tirols unterscheiden.